Heute besprechen wir das Buch Die Macht des Zufalls – vom Urknall zur Willensfreiheit von Gerd Schmidt-Eichstaedt, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit dem Autor des Buches, um die persönlichen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die der Autor im Laufe seines Schreibens anspricht und die er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen möchte.
In seinem faszinierenden Essay „Die Macht des Zufalls – Vom Urknall zur Willensfreiheit“ nimmt Prof. Dr. Gerd Schmidt-Eichstaedt die Leser mit auf eine gedankliche Reise durch die Entstehung des Universums, die Entwicklung des Lebens und die tiefgreifenden Fragen nach Kausalität und Freiheit.
Mit einem interdisziplinären Ansatz verbindet der Autor Erkenntnisse aus Physik, Biologie und Philosophie und zeigt, wie Zufälle unser Leben und Denken prägen. Ein inspirierendes Werk für alle, die die verborgenen Kräfte unserer Existenz verstehen wollen – wissenschaftlich fundiert und geistreich erzählt.
Hier ist das Interview mit dem Autor: Viel Spaß beim Lesen.
- Welche Themen und Inhalte werden von Ihnen in dem Buch angesprochen?
Das Buch enthält vier Haupt-Kapitel.
Im ersten Kapitel geht es um den Nachweis, dass jedes Zufallsereignis durch einen Zufallsgenerator ausgelöst wird. Es gibt keinen ursachenlosen Zufall.
Im zweiten Kapitel wird der Nachweis geführt, dass Informationen als die wichtigsten Ursachen für das Handeln von Lebewesen auf die Anwendung des Zufallsprinzips zurückzuführen sind.
Das dritte Kapitel geht auf die Frage ein, was für den Menschen möglicherweise stärker ist als der Zufall als Ursache, nämlich die Triebe: Hunger und Durst, Liebe und Hass usw.
Im vierten und letzten Kapitel wird dargelegt, in welcher Art und Weise das Handeln des Menschen – und damit auch seine Willensfreiheit – durch Zufallsgeneratoren in seinem Gehirn beeinflusst wird. Ein aus einem Zufallsgenerator im Gehirn eines jeden Menschen entwickelte Befähigung bewirkt, dass aus beinah unendlich vielen Informationen heraus konkrete Handlungsimpulse entstehen. Ich nenne dies den GO-Generator.
Ein weiterer Generator ermöglicht, dass jeder ins Bewusstsein gelangende Handlungsimpuls abgebrochen werden kann –ich nenne dies den STOP-Generator.
Daraus folgt die Schluss-Erkenntnis des Buchs: Der Mensch kann nicht wollen, was er will. Aber er muss nicht tun, was er nicht tun will. Deshalb ist der Mensch für sein Tun verantwortlich. Das ist für Juristen natürlich eine grundlegende These.
- Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen? Was möchten Sie ihm oder ihr vermitteln?
Das Buch ist für wissensdurstige Menschen bestimmt. Letztlich geht es um einen Beitrag zur Beantwortung der elementaren Frage, die von Goethes Faust gestellt wird. Faust möchte erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Ob der Beitrag, den das Buch zur Erkenntnis der grundlegenden Prinzipien im Universum geben möchte, dafür geeignet und gelungen ist, ist dann eine weitere Frage.
Dem einzelnen Leser (weibliche Leser inbegriffen) soll die Erkenntnis vermittelt werden, dass ihm über den Zufall als Ausnahme von der Berechenbarkeit physikalischer und chemischer Vorgänge nachweisbar ein gewisser Grad der Freiheit des Denkens und Handelns eingeräumt ist. Die meisten Menschen fühlen sich zwar (relativ) frei in ihren Entscheidungen. Sie müssen sich aber von der Wissenschaft vorhalten lassen, dass dies möglicherweise ein Irrtum ist. Das Buch soll ihnen die Gewissheit vermitteln, dass Entscheidungsfreiheit in bestimmten Grenzen objektiv möglich ist. Gefühl und Verstand werden so zur Übereinstimmung gebracht.
- Wann und warum haben Sie sich entschieden, dieses Buch zu schreiben?
Ich gehöre selbst zu den „wissensdurstigen Menschen“. Schon in der Schulzeit habe ich mich gegen die Behauptung gewehrt, dass alles vorherbestimmt ist oder dass letztlich eine übergeordnete Macht über mich und mein Tun bestimmt. Aber ich habe über das Jura-Studium hinaus Zeit und Nachdenken gebraucht, um einen handfesten Nachweis für das Vorhandensein von Willensfreiheit zu finden. Die „Erleuchtung“ kam für mich bei der Begegnung mit „Buridans Esel“. Dieser steht bekanntlich zwischen zwei gleich appetitlichen Heuhaufen und muss sich – ohne Grund für die konkrete Wahl – für das Ansteuern eines der beiden Haufen entscheiden. Schon der Mönch Buridan hat diese Konstellation als Beweis für die Notwendigkeit einer grundlosen und daher freien Entscheidung erkannt. Wenn sich der Esel nicht entscheidet, muss er verhungern. Darin liegt aber nur ein Motiv dafür, sich überhaupt zu entscheiden – nicht jedoch ein konkreter Grund für die Auswahl jenes Heuhaufens, der schließlich gewählt wird.
Nachdem ich dies in den Grundzügen erkannt hatte, wollte und musste ich es aufschreiben. Das hat nur in Etappen mit großen Pausen funktioniert, denn es gehörte ja nicht zu meinen Kernaufgaben als Jurist (zuerst beim Deutschen Städtetag, dann an der TU Berlin).
- Welche Emotionen möchten Sie mit Ihrem Buch bei den Lesern hervorrufen?
Am liebsten wäre es mir, wenn das Buch bei den Lesern ein „Aha-Erlebnis“ auslösen würde. „Aha, so ist das also – jetzt weiß ich endlich, wo ich wirklich frei entscheiden kann und wo nicht“.
Natürlich weiß ich, dass die meisten Menschen im Alltag nicht über diese Frage nachdenken. Aber das Grübeln fängt an, wenn man bestimmte Entscheidungen nachträglich bereut. „Musste ich so entscheiden, wie ich es (leider) getan habe? Welche Umstände haben mich bewegt? Hätte ich mich auch anders entscheiden können?“ Daraus kann sich Reue ergeben – aber es gilt der schöne Satz aus der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“. Das Buch soll keine Reue, sondern nur Erkenntnisse auslösen. Nach meinen Erfahrungen kann man Vorgänge, deren Motive und Weichenstellungen man durchschaut hat und die man daher in Zukunft vielleicht beeinflussen kann, besser verarbeiten als Ereignisse, von denen man meint, schicksalhaft und unausweichlich betroffen zu sein.
- Wie haben Ihr Freundeskreis, Ihre Bekannten oder Ihre Familie auf die Buchveröffentlichung reagiert? Stehen schon neue Projekte an?
Ich habe noch nicht viele Leser meines Buchs aus dem Bekanntenkreis über ihre Eindrücke befragen können. Es zeichnet sich folgendes Bild ab: Die meisten halten den ersten und zweiten Teil des Buchs zwar für notwendig, aber doch für relativ stark „wissenschaftlich“. Wer Vorkenntnisse in den Naturwissenschaften hat, kommt damit leichter zurecht. Das dritte Kapitel mit seinem Eingehen auf „Triebe und Liebe“ wird als „erholsam“ empfunden. Hier findet sich jeder mit seinen Gefühlen und Trieben wieder. Man freut sich über „Alte Bekannte“ aus dem eigenen Erleben. Das vierte Kapitel hat dann den höchsten Neuigkeitsgrad. Hier erfährt man wirklich Neues – und zwar in gut nachvollziehbarer Weise. Durch die einleitende Zusammenfassung der ersten drei Kapitel zu Beginn des vierten Kapitels kann man das vierte Kapitel auch verstehen, ohne die vorangehenden Kapitel intensiv gelesen zu haben.
Ein vergleichbares Buch werde ich wohl nicht noch einmal schreiben. Aber in meinem juristischen Berufsfeld gibt es immer wieder Gelegenheit zu weiterführenden Aufsätzen. Und schließlich sind von meinem Lehrbuch zum Städtebaurecht schon fünf Auflagen erschienen. Eine neue, sechste Auflage ist in Vorbereitung.
Wir danken dem Autor für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Erfahrungen auf den Kern zu bringen. Die Macht des Zufalls – vom Urknall zur Willensfreiheit von Gerd Schmidt-Eichstaedt, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen zu werden, weil das Buch neue Perspektiven und Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnet.