Heute besprechen wir das Buch Liebe in den Zeiten des Corona von Katrin Haupt, erschienen beim Verlag Europa Buch. Wir präsentieren hier ein Interview mit der Autorin des Buches, um die persönlichen Aspekte und die wichtigsten Erfahrungen zu verdeutlichen, die in diesem Text verdichtet sind. Wir besprechen auch die wichtigsten Themen, die die Autorin im Laufe ihres Schreibens anspricht und die sie mit ihren Leserinnen und Lesern teilen möchte.
Liebe in den Zeiten des Corona von Katrin Haupt, erschienen beim Verlag Europa Buch stellt eine literarische spannende Analyse der Konsequenzen der Pandemie, die wir alle erlitten habe. Das Jahr 2020 hat nicht nur unsere Routinen, sondern auch und vor allem unsere Beziehung mit dem Nächsten, mit dem Leben und dem Tod sowie mit uns selbst für immer verändert. Heute versuchen wir, uns mit dem kollektiven Trauma der Pandemie und – nicht zuletzt! – mit dem daraus entstandenen Gefühl der Unsicherheit auseinanderzusetzen: Ist es jedoch wirklich möglich, zum vergangenen Alltag zurückzukehren? Ist man noch in der Lage, die „Welt von gestern“ in Erinnerung zu rufen? Wie hat Corona unser Konzept der „Normalität“ auf den Kopf gestellt? In ihrem literarischen Debütwerk denkt die Lehrerin und Schriftstellerin Katrin Haupt über all diese Fragen nach: Liebe in den Zeiten des Corona ist ein Tagebuch, in dem die Autorin die letzten drei Jahre unseres Lebens mit Corona rekonstruiert, kommentiert und mithilfe bekannter Intellektuellen vom Rang Fjodor Dostojewskis, Erich Kästners und Stefan Zweigs glossiert. Die Erfahrung des Lockdowns verwandelt sich in diesem Sinne in eine Gelegenheit, um unsere Konzepte von Freiheit, Demokratie und kritischem Denken in Frage zu stellen… vielleicht mit dem Ziel, unsere Gegenwart besser verstehen zu können.
Hier ist das Interview mit der Autorin: viel Spaß beim Lesen!
Welche Themen und Inhalte werden von Ihnen in dem Buch angesprochen?
Dies ist ein Tagebuch, was ich im März 2020 sehr intensiv zu schreiben begonnen habe. Ich hatte sehr unterschiedliche Menschen in meiner Umgebung und dachte lange, das ist eine flächendeckend todbringende Krankheit. In meiner direkten Umgebung starb jedoch zunächst ein älterer Verwandter einsam winkend hinter einer Glasscheibe an Corona, eine Kollegin brachte sich um, meine Mutter saß 3 Monate in Quarantäne einsam und weinend im Pflegeheim, weil sie dummerweise dreimal positiv getestet worden war und die Tochter eines Sportfreundes starb infolge einer Thrombose, die sie sich, auch aufgrund der strengen Coronamaßnahmen (Lockdown mit sehr vielen Freizeitbeschränkungen) zugezogen hatte. Diese Ereignisse kommen im Buch aber nur am Rande vor.
Diese Zeit strich über weite Teile raus.
Ich zappe gerne abends gegen elf mal eben noch durch die Fernseh Kanäle, da kam dieser österreichische Professor, der Dr. Phil und Dr. Med ist und mir sind fast die Tränen gekommen. Er sprach ganz ruhig, fast schon etwas langweilig, und bat doch eindringlich darum, doch bitte dieses Corona von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Ich fand ihn brillant. Die Personalisierung des Corona hilft mir noch jetzt, nicht meinen Humor zu verlieren.
So fand ich plötzlich auch viele Karikaturen witzig. Z.B. der röchelnde Hund, der sich fragt: „Wer ist eigentlich dieser Corvid?“ (Hundebesitzer durften ja raus.)
Es waren auch so viele lustige Begegnungen. Nachts um elf nach der Ausgangssperre, wenn alleinstehende Frauen plötzlich gezwungen waren im dunklen Wald zu laufen, anstatt in beleuchteten Straßen und das war sehr drollig Gleichgesinnte zu treffen. Senile Bettflucht….
Wer sollte dieses Buch unbedingt lesen? Was möchten Sie ihm oder ihr vermitteln?
Das hat mich neulich ein geschäftstüchtiger Manageronkel gefragt…und näh ehrlich, soll ich jetzt schwafeln? Ich erhebe keinen Anspruch auf Vermittlungshoheit. Ich finde Bücher gruselig, die mir irgendeinen Vermittlungsauftrag vermitteln😊
Entweder ich kann mich identifizieren mit Personen aus einem Buch (bei Sachbüchern mit dem Autor) oder mich dran reiben. Freude machen würde ich gerne mit meinem Büchlein. Es ist allemal ehrlich. Eine Meinung ist es nicht…eher meine Gefühle: Mal frühmorgens, mal nachts, mal mit Alkohol, mal ohne Alkohol. Meine geliebte Mama meinte mal, ich sei kariert…vielleicht, also ganz vielleicht möchte ich das vermitteln. Also kariert zu sein. Neugierig, entwicklungs- oder unentwicklungsfähig. Veränderungsfähig triffts vielleicht eher.
Noah (der aus dem Buch) würde jetzt wieder sagen: Eine der unangenehmsten Formen der Humorlosigkeit besteht im verbissenen Fixiertsein auf die eigene Überzeugung, ohne die oft so hilfreiche Gelassenheit, Paradoxien auszuhalten.
Vielleicht spiegeln meine „Auf und Ab“ – Gedanken auch die vieler Leserinnen und Leser wieder.
Was war Ihr Ziel beim Schreiben dieses Buches?
Ehrlichgesagt war ich bei meinen Tagebucheinträgen sehr zielfrei. Ich habe zu Beginn der Corona – Krise wirklich gedacht, jetzt kommt eine Katastrophe und nun werden die Leichen aus den Häusern getragen. (Mittlerweile ist ja zum Glück klar, dass es wohl eine Krise war.). Im März 2020 ging ich mit Beklemmungen in das leere Schulhaus und wagte zunächst kaum zu atmen. Wenn ich in meinem Büchlein blättere, weiß ich natürlich noch immer sehr genau unter welchen Umständen ich welchen Eintrag geschrieben habe. Oft saß ich alleine zu Hause ohne meine glücklichen oder auch unglücklichen Schüler zu sehen. Auch war es schwierig, Zeit zu haben, mit der ich über weite Teile gar nichts anzufangen wusste, bzw. gar nicht die Kraft hatte, sie zu nutzen, wo doch gleichzeitig so viel Hilfe gesucht wurde. Es war tatsächlich lange nicht mein Ziel ein Buch zu schreiben. Als ich dann jedoch in meinem Tagebuch zurückblätterte, war ich selbst verblüfft über meine Gedanken und dachte, das könnte vielleicht auch für den einen oder die andere interessant sein.
So beschloss ich (ausgewählte) Teile meiner Tagebucheinträge an einen Verlag zu schicken und siehe da….
Wie würden Sie Ihren Schreibstil beschreiben und auf welche literarischen Modelle beziehen Sie sich?
Oje…dieses Wort kommt schon hin und wieder vor in meinem Tagebuch. Ich liebe Dostojewski, Werfel und Zweig und natürlich auch Hermann Hesse. Diese Satzkonstruktionen, gedankliche Tiefe und Klugheit werde ich nie in meinem Leben erreichen, da lüge ich mir selbst nicht in die Tasche. Zumal ich dieses einsame Schriftstellerleben weder führen wollte noch könnte, dafür liebe ich Berge, Menschen und gemeinsame Musik zu sehr. Aber diese Ambivalenz des Lebens, welche diese Schriftsteller beschreiben, hat mich immer wieder zutiefst getragen und mir in Phasen meines Lebens immer wieder geholfen, mir selbst meine Unzulänglichkeiten einzugestehen, ja sie sogar phasenweise zu lieben.
Wenn ich meinen Schreibstil beschreiben müsste, würde ich sagen…ich habe versucht, auf etwas flapsige Art und Weise, die Tiefe meiner Gedanken, und in dieser Zeit vor allem meiner Gefühle, in Worte zu fassen. Da ich das selbst nicht so kann, wie die Menschen, die ich zitiert habe, musste ich deren Zitate in den Text hineinbasteln und wortwörtlich wiedergeben, weil diese mich sehr berührt haben.
Wie war Ihre Verlagserfahrung mit Europa Buch? Schreiben Sie derzeit an einem neuen Buch?
Ich fand die Zusammenarbeit mit allen, mit denen ich zu tun hatte, unglaublich aufregend und spannend. Es war sehr menschlich und unverkrampft. das empfand ich sehr angenehm. Ich bin -denke ich- sehr schüchtern und nicht der Typ, der sich hinstellen kann und sagt: “Hey seht her Leute, mein Buch ist so unglaublich mega spannend und kann für jeden von euch in jeder Lebenssituation eine Hilfe sein, egal, wie alt ihr seid.“
Doch nach diesen Monaten, in denen ich auf liebevolle und zielführende Art motiviert wurde, mich selbst mit meinem Buch auseinander zu setzen, dachte ich: „Och gar nicht so schlecht.“
Vor allem, wie das Buch einfühlsam durchlektoriert wurde, gut durchdacht, innerhalb meines „Schreibstils“, fand ich faszinierend. Allein über diesen Prozess, könnte ich ein Buch schreiben 😊
Ich schreibe oft vor mich hin. Dafür muss ich aber irgendwie unterwegs sein, d.h. Zeit und diese gewisse Tiefe haben. Alleine in meinem Kämmerlein, kann ich eigentlich selten schreiben. Ich brauche Menschen um mich rum, die mich aber eigentlich nicht direkt etwas angehen. Oft sitze ich in Zürich, entweder im edlen Kaffee oder im Marihuana duftenden chinesischen Garten, dichte den Menschen dort Geschichten an und habe manchmal kurze, intensive Begegnungen, die mir bei guter Laune passieren, wenn ich alleine unterwegs bin
Ich würde gerne einen Roman schreiben mit unterschiedlichen Figuren, auf deren Begegnung dann die Leser gespannt sein sollten…. (Da muss ich an Isabell Allende denken). Manchmal lächle ich bei dem Gedanken in mich hinein, was passieren würde, wenn der die trifft….
Wir danken der Autorin für die Beantwortung unserer Fragen und die Hilfe, den Text und die damit verbundenen Erfahrungen auf den Kern zu bringen. Liebe in den Zeiten des Corona von Katrin Haupt, erschienen beim Verlag Europa Buch, verdient es, aufmerksam gelesen und genossen zu werden, weil das neue Perspektiven und Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnet.